Kurzwanderung: Sitterdorf – Blidegg / 50 Jahre zurück in die Schulzeit

Kurzwanderung: Sitterdorf – Blidegg / 50 Jahre zurück in die Schulzeit

Meine heutige Samstags-Wanderung war kurz, sehr kurz, bloss gut dreieinhalb Kilometer Hinweg (fast alles auf Hartbelag und am Abend den gleichen Weg zurück). Aber es ist eine besondere Strecke, nämlich jene zum und über den Schulweg, den ich vor rund 50 Jahren während 6 Jahren zu gehen, bzw. mit dem Velo zu fahren hatte. Der wehmütige Anlass für diese Kurzwanderung: Das kleine Landschulhaus am Wanderziel in der Blidegg wird in einem Monat, mit Beginn der Sommerferien, für immer geschlossen, so wie Jahre zuvor schon das Lädeli mit Poststelle, ein Restaurant, die Käserei. Darum sind für heute Samstag alle ehemaligen Schüler zu einem Abschiedsfest beim Schulhaus eingeladen worden. Und weil der Weg von der nächstliegenden Bahnhaltestelle in Sitterdorf bis zum Schulhaus weitgehend auch mein Schulweg war, habe ich beschlossen, diesen Weg nach Jahrzehnten wieder einmal zu Fuss zu gehen.

Weitere Bilder im Google-Fotos-Album:

https://photos.app.goo.gl/hfD69bjN6wVCeaxS8

ROUTE: Sitterdorf – Singebärg – Schönbüel – Unteregg – Oberegg – Blidegg (und retour); es ist eindeutig kein Wanderweg, dem ich heute gefolgt bin. Die Autos und Töffs fahren rassig auf dieser langgezogenen Strasse über dem nördlichen Talhang der Sitter und ein Trottoir fehlt. Die schönen Wanderwege verlaufen im Norden z.B. durchs Hudelmoos oder entlang der Sitter jenseits des Flusses. Doch Schulwege halten sich vermutlich auch andernorts selten ans Wanderwegnetz:

Obiger Kartenausschnitt: swisstopo mit http://map.schweizmobil.ch

Um 09:30 komme ich von Weinfelden her in Sitterdorf an. Diese Haltestelle liegt an der Bahnlinie Weinfelden <-> Gossau / St. Gallen zwischen Bischofszell Nord (dem Industriegebiet) und Bischofszell Stadt (dem Städtli):

Vor 50 Jahren hatte Sitterdorf noch eine bediente Bahnstation mit kleinem Wartsaal und mit einer Barrierenwärterin, die am Bahnschalter auch die vorgedruckten Kartonbillette abgab; heute ist hier eine vollautomatisierte Haltestelle:

Bis zum Beginn der sechziger Jahre war die alte Sitterdorfer Kirche (unten im Bild) reformiert und gleichzeitig katholisch; erst 1961 haben «wir Katholiken» unsere eigene Kirche eingeweiht. Diese Gegend hier im Thurgauer / St. Galler Grenzgebiet war früher ein konflikthafter reformiert-katholischer «Fleckenteppich»:

Bald komme ich beim Sitterdorfer Schulhaus vorbei. Nach den Sommerferien werden die Blidegger Schüler hier zur Schule gehen. Vor 50 Jahren erteilte der strenge Sitterdorfer Lehrer Otto Lanker uns Blidegger Buben einmal pro Woche «Hobel-Unterricht» in einem Kellerraum im Schulgebäude links:

Gleich hinter dem Schulhaus beginnt weites Bauerngebiet. Hier über Land hat sich das Landschaftsbild in den letzten Jahrzehnten nur wenig verändert, im Gegensatz zum ……

…… im Gegensatz zum nahen «Städtli» Bischofszell, wo viele Neubauten entstanden sind:

Die Altstadt von Bischofszell ist hingegen bundesgeschützt und 1987 als erste Thurgauer Gemeinde mit dem Wakkerpreis ausgezeichnet worden. In Bischofszell habe ich nach der Blidegger Primarschulzeit während weiteren drei Jahren die Sekundarschule besucht. Wenn ich mich nicht täusche, ist auf dieser Zoomaufnahme, rechts unter dem Kirchturm der Stiftskirche, das Sekschulhaus im Sandbänkli zu erkennen:

Der Hof Singebärg / Singenberg. Auf dieser Strasse bin ich den drei Kilometer langen Weg zur Sekundarschule in Bischofszell 2-4x pro Tag mit dem Velo gefahren:

Diese Gegend war reich an Burgen, teilweise sind noch ihre Ruinen übrig geblieben. (Im Zusammenhang mit einer Burg Singenberg stösst man in alten Geschichtsbüchern beispielsweise auf die «Herren von Singenberg» und den Minnesänger Ulrich von Singenberg).

Nach dem Sitterdorfer Dorfausgang bei Singenberg folgt ein Kilometer Landstrasse bis zum nächsten Hof, jenem im Schönbüel; rechts im Wald fällt das Gelände steil ab zur Sitter:

Kaum zu glauben, im «flachen» Thurgau gibt’s Felswände, die sogar beklettert werden; hier im Nordwesten die Nagelfuh-Bänke im Felsenholz über Holestaa / Holenstein:

Kletter-INFO: http://www.sac-bodan.ch/downloads/kletterfuehrer-holenstein-bei-sitterdorf-10081.pdf

Der Flugplatz Sitterdorfnördlich der Strasse von Sitterdorf in Richtung Unteregg / Oberegg / Blidegg. Wie ich eben hier durchgehe, beobachte ich am Himmel Fallschirmspringer, die aus einem Pilatus-Porter abspringen. Der Flugplatz mit den Fallschirmspringern ist in meiner frühen Jugend hier entstanden:

Webcambild vom Flugplatz in Richtung Strasse, auf der ich gehe: http://saentis.axiscam.net/view/index.shtml

Der «Käfer», der hier  entgegenkommt, versetzt die Gegend (zum heutigen Anlass  perfekt getimed) Jahrzehnte zurück in eine andere Zeit:

Tiefblick ins Tal der Sitter; die Sitter fliesst in unzähligen Flusswindungen von der Nordseite des Alpsteins an Appenzell und St. Gallen vorbei und mündet in Bischofszell in die Thur. Hinten in Bildmitte steht die kürzlich neu gebaute Brücke bei Lütschwil:

Blick nach Süden; bei klarem Wetter und speziell bei Föhn ist über dem Wald die Alpsteinkette mit dem Säntis zu erkennen:

Nach der Wegkreuzung (links nach Zihlschlacht / rechts hinunter nach Lütschwil und zur Sitter) kommt der Hof Schönbüel ins Blickfeld. Das ist (bzw. war) mein Elternhaus:

Der Einzelhof im Schönbüel ist der unterste (d.h. der westlich gelegenste) Hof der ehemaligen Schulgemeinde Blidegg, die seit ein paar Jahren zusammen mit weiteren umliegenden Schulgemeinden zur Volksschulgemeinde Bischofszell zusammengeschlossen ist:

Und das war Schönbüel vor rund 90 Jahren (ich bin unsicher, ob alle Bezeichnungen unten richtig sind):

Auch neben Schönbüel befindet sich eine ehemalige Burgstelle. In der Objektbeschreibung zur «Burgenkarte der Schweiz» steht dazu: Burgstelle mit Burghügel u. Halsgraben am Rande der Hochterrasse u. ca. 1km nordwestl. von Blidegg. Vermuteter Sitz der Hn. v. Riffenberg. Wenn ich mich recht erinnere, hat mein Vater diesen Burghügel auf unserem Land eines schönen Tages (absichtlich oder unabsichtlich?) eingeebnet.

Das Hofgebäude im Schönbüel scheint gegenwärtig nicht mehr bewirtschaftet zu werden:

Dreihundert Meter nach Schönbüel folgt die Kantonsgrenze Thurgau / St.Gallen mit den Weilern Unteregg und Oberegg; Blidegg liegt anschliessend wieder auf Thurgauer Gebiet:

Auf der Tafel rechts im Bild: Hinweis zum «Blidegger Fladefäscht» am 22. Juni 2012.

Der Weiler Lütschwil mit der Sitterbrücke, über die ein Wanderweg von Bischofszell her führt:

Die Wallfahrtskirche St. Pelagiberg:

In Unteregg steht der erste Wanderwegweiser, den ich heute antreffe. Der Wanderweg von Bischofszell ins Hudelmoos und weiter nach Amriswil quert hier meinen «Nichtwanderweg»:

Eine enge Strassenführung zwischen den Häusern und Scheunen von Unteregg. Da auf St. Galler Kantonsgebiet liegend, ist hier «katholisches Hohheitsgebiet»; im Haus links befand sich im vorletzten Jahrhundert ein Schulzimmer der Katholiken; erst viel später durften die Kinder aus dieser Gegend ins thurgauische und damit reformierte Blidegg zur Schule gehen. Walo Münger hat am Abend über die komplizierten und unglaublichen Schul- und Konfessionsgeschichten, die sich in diesem Grenzgebiet abspielten, ein paar Müsterchen erzählt:

Blick zurück nach Unteregg. Ich vermute, genau so hat’s vor 50 Jahren schon ausgesehen; nur die Strassenbeleuchtung ist wohl erneuert worden. Von aussen betrachtet, scheint hier die Zeit also beinahe stillgestanden zu sein:

Die Käserei Oberegg; hierhin haben wir die Milch von unseren Kühen über all die Jahre hingebracht. Wenn ich richtig informiert bin, wird hier heute kein Käse mehr produziert. Käser Hans Eberle hat die Käseproduktion nach Muolen verlagert. Der feine Käse-Apéro am Nachmittag ist von ihm spendiert worden:

Etwas abseits der Hauptstrasse liegt die Bommerten, ebenfalls ein Einzelhof wie Schönbüel. All diese Höfe entlang der Strasse und abseits davon sind in meinem Gedächtnis verbunden mit Familiennamen, die teilweise über Generationen hinweg unverändert geblieben sind. Hier wohnten überall auch meine Schulgschpänli, die heute ans Abschiedsfest in die Blidegg eingeladen sind:

Steigflug der Fallschirmspringer vom nahen Flugplatz:

Blick zurück auf Oberegg; rechts das Restaurant Schäfli, wo wir auf der Bühne im Säli jeweils vor Weihnachten das Krippenspiel aufgeführt haben:

Ganz stillgestanden ist die Zeit doch nicht:

Es macht den Anschein, dass ich auf dem richtigen Weg bin:

Eine Turnhalle hat die Schule Blidegg nie gehabt; unsere Turnstunden sind z.B. in den Wäldern rundum mit abenteuerlichen Fangspielen abgehalten worden:

Um 10:15, nach dreiviertelstündiger Wanderung, komme ich in Blidegg und damit wieder im Thurgau an; das Schulhaus versteckt sich noch rechts hinter den Tannen:

Das Schulhaus Blidegg:

In Blidegg quert der Thurgauer Panoramaweg (Wanderland.ch-Route 79) die Hauptstrasse:

Die Südseite der Schulanlage; links vom Schulhaus das ehemalige Lehrerhaus, das heute nicht mehr von Lehrpersonen bewohnt wird; rechts ein Pavillon, der erst nach meiner Schulzeit entstanden ist und der in den vergangenen Jahren als Kindergarten für die zusammengeschlossene Volksschulgemeinde benutzt worden ist:

Wo man auch hinschaut, überall werden Erinnerungen wachgerufen:

Das Eintrudeln der Eingeladenen beim Festzelt wird begleitet von unzähligen AHA-Erlebnisse beim Nichterkennen oder umgekehrt beim Wiedererkennen:

Die heutigen Standardfragen lauten: «Wer bist Du? / Dein Jahrgang?»

Das Zelt füllt sich langsam:

Seitlich hängen zahlreiche alte Klassenfotos (ich verzichte hier auf Wiedergabe):

Tagblatt Online, 11. Mai 2012 07:05:15 / RUDOLF KÄSER

Quelle: http://www.thurgauerzeitung.ch/ostschweiz/thurgau/bischofszell/tz-bi/art123848,2974457 

Abschied von der Schule Blidegg

Der Betrieb im Primarschulhaus dauert noch bis zu den Sommerferien. Dann ist für immer Schluss. Anfang Juni erinnern sich die Dorfbewohner an vergangene Zeiten. Zu diesem Fest sind alle ehemaligen Schüler eingeladen.

BLIDEGG. Von aussen zeigt sich dem Betrachter ein schmuckes Schulhaus, an welchem die über 150 Jahre scheinbar spurlos vorübergegangen sind. Der äussere Eindruck täuscht auch im Innern des Hauses nicht. Guterhaltene Korridore und Klassenzimmer deuten darauf hin, dass dem Haus Sorge getragen wurde.

Die Schülerzahlen sind aber nach heutigen Voraussetzungen zu gering, um den Schulbetrieb aufrechtzuerhalten. Deshalb muss das Schulhaus Blidegg auf Ende des laufenden Schuljahres den Betrieb einstellen. Obwohl die Blidegger traurig sind darüber, feiern sie am Samstag, 2. Juni, ein fröhliches Fest.

Immer wieder renoviert

Behördenmitglied Jacqueline von Büren sowie der ehemalige Lehrer Ulrich Schmidli berichten, dass das Haus immer wieder instand gehalten wurde. Eine grosse Totalrenovation hat im Jahr 1957 stattgefunden. 1996 wurde der Pavillon erstellt, welcher ermöglicht, in zwei Räumen Schulunterricht zu vermitteln. Eine noch grössere Renovation wurde schliesslich im Jahr 1997 durchgeführt.

Neun Klassen, ein Lehrer

Noch nicht ganz geklärt ist, wann das Schulhaus gebaut worden ist. Walo Münger aus Rotzenwil ist daran, die Baujahrzahl zu ermitteln. Sicher sei für ihn aufgrund der bisherigen Ermittlungen nur, dass das Schulhaus um einiges über 150 Jahre alt ist.

Ueli Schmidli erzählt aus seiner 27jährigen Zeit als Lehrer im Schulhaus Blidegg. Von der ersten bis zur achten Klasse hat er 45 Schüler unterrichtet. Später kam noch die Abschlussklasse hinzu, so dass er zeitweise im selben Schulzimmer neun Klassen unterrichtete. Heute werden noch die erste bis sechste Klasse unterrichtet.

Es bestünden keine Aussichten, dass sich die Schülerzahlen wesentlich erhöhen würden. Deshalb habe man einsehen müssen, dass ein Schulbetrieb nach heutigen Erfordernissen nicht mehr möglich sei, erwähnt Jacqueline von Büren. Künftig werden die Schüler in Sitterdorf unterrichtet. Wenn im Sommer Schulschluss ist, ist noch nicht entschieden, was mit dem Schulhaus geschieht. Vorderhand werde der Kulturverein Blidegg Gesangsproben und das «Fladenfest» durchführen. Auch den Neujahrsapéro will der Kulturverein im Schulhaus durchführen.

«Was dann mit dem Haus geschieht, wissen bis heute noch nicht einmal die Schulbehörden», sagt Jacqueline von Büren. Ganz sicher werde das Haus in nächster Zeit noch nicht verkauft und absolut sicher nicht abgerissen.

Anreise aus Amerika

Auch wenn der Abschied von einem Schulhaus meistens nicht einfach ist: Von Traurigkeit möchte man in Blidegg nichts wissen. Im Gegenteil, das Fest am Samstag, 2. Juni, soll ein fröhlicher Anlass werden und Erinnerungen aufleben lassen. Deshalb sind auch die früheren Schulkinder eingeladen. Sogar aus den USA hat jemand zugesagt. Die älteste ehemalige Schülerin, die ihr Erscheinen angekündigt hat, ist 92 (-> neuster Stand: sogar 100 Jahre alt).

Ab 11 Uhr finden sich im Festzelt gegenüber dem Schulhaus ehemalige und heutige Schüler sowie Einwohner, Lehrkräfte, Behördenmitglieder und Abwartpersonen ein. Es werden alte Aufnahmen vom Blidegger Schulalltag gezeigt. Vorgesehen sind auch Führungen durch das Schulhaus. Für Kinder und Junggebliebene gibt es verschiedene Spiele; im Pavillon wird ein Jugendraum eingerichtet.

Zum Mittagessen sollen 170 Ehemalige erscheinen, zum Abendessen dann sogar 250. «Der Sinn dieses Festes besteht in erster Linie darin, dass sich ehemalige Schülerinnen und Schüler treffen und austauschen können», sagt OK-Mitglied Jacqueline von Büren. (ruk)

Der gewitzte Peter Bissegger begrüsst:

Eine ehemalige Blidegger Schülerin, die auf volle 100 Lebensjahre zurückblicken kann, wird von Peter speziell begrüsst und …….

…. und eine ehemalige Blidegger Schülerin (oder ist es eine Lehrerin?), die auf deutlich weniger als 100 Lebensjahre zurückblicken kann, wird hier von einem Schulinspektor (?) einer Materialprüfung unterzogen:

Das Erstellen der Schülerliste mit den aktuellen Adressen war gewiss eine Riesenarbeit für das OK:

Kutschenfahrten über ehemalige Schulwege sind am Nachmittag im Programm:

Da beteiligt sich sogar der Säntisgipfel an der Blidegger Abschiedsfeier (vorne St. Pelagiberg):

Nun bietet sich eine letzte Gelegenheit für einen (etwas traurigen) Abschiedsblick ins Schulzimmer:

Ausblick vom Dachraum des Schulhauses hinüber zum Schloss Blidegg (rechts hinter den Bäumen); etwas weiter unten steht die Kapelle Degenau. (Der Wanderweg führt von der Blidegg hinunter zur Degenau und von dort zur Sitterfähre bei der Gärtau / Gertau):

Nach den Sommerferien führt ihr neuer Schulweg über den Weg, den ich hierher gewandert bin, also nach Sitterdorf:

Ueli Schmidli, der vor 50 Jahren, während allen sechs Jahren, gleichzeitig für alle 6 Primarklassen und in ein und demselben Schulzimmer unser grossartiger Lehrer war, hält die Schulhaus-Verabschiedungssrede. Er löst damit Nachdenklichkeit aber vorallem einen Lacherfolg nach dem anderen aus und schliesslich einen nicht enden wollenden Schlussapplaus:

Im Licht der untergehenden Sonne bietet sich nochmals Gelegenheit für ein Klassenfoto:

Vorbei am kleinen Schulhaus, in dem die Schulzimmer-Lampen bald für immer ausgeschaltet werden, mache ich mich auf den Rückweg nach Sitterdorf:

Es war eine kurze aber doch eindrückliche Wanderung.

Vielen Dank an alle, die diese gelungene Abschiedsfeier in der Blidegg ermöglicht haben.

Beat

Tagblatt Online, 04. Juni 2012 01:07:33

Quelle: http://www.thurgauerzeitung.ch/ostschweiz/thurgau/bischofszell/tz-bi/Trotz-Wehmut-ein-froehliches-Fest;art123848,3003945

Trotz Wehmut ein fröhliches Fest

Abschiedsfest für das Schulhaus Blidegg b. Bischofszell TG


Rückkehr nach Blidegg: Elisabeth Furrer-Rudolf (Jahrgang 1912) und Ueli Schmidli (Jg. 1931), ehemaliger Primarlehrer und Regierungsrat. (Bild: Rudolf Steiner)

Mehrere hundert ehemalige Schülerinnen und Schüler nahmen am Samstag mit den noch verbliebenen 17 Mädchen und Buben Abschied vom kleinen Landschulhaus in Blidegg.

RUDOLF STEINER

BLIDEGG. Aus der ganzen Schweiz trafen ehemalige Schüler, die im Schulhaus Blidegg das Abc und das Einmaleins gelernt hatten, ein. Die weiteste Anreise hatte aber die 70jährige, im Restaurant Schäfli in Oberegg aufgewachsene Dorli Scheiwiller-Wittwer. Sie lebt mit dem Waldkircher Max Scheiwiller seit langem in Grand Valley, einem Dorf mit 1600 Einwohnern in Ontario (Kanada). Auch sie wollte sich das Abschiedsfest nicht entgehen lassen.

Erwartungen übertroffen

«Wir haben 400 ehemalige Schüler, die in den letzten 80 Jahren in Blidegg zur Schule gingen und von denen wir den Aufenthaltsort kannten, eingeladen», sagte Jacqueline von Büren, die OK-Präsidentin des Festes. 320 hatten sich zum grossen Klassentreffen angemeldet, in Wirklichkeit kamen aber sicher 400 Heimwehblidegger. Darunter auch Elisabeth Furrer-Rudolf, die in der Degenau aufgewachsen war und die Schule Anfang der Zwanzigerjahre besucht hatte. Klassenkameraden traf sie am Abschieds-fest jedoch keine mehr, denn die ehemalige Damenschneiderin, die seit bald 80 Jahren in Zürich zu Hause ist, wird am 11. Juli 100 Jahre alt. Sie war von den Veranstaltern nicht eingeladen worden, da man nicht damit rechnete, dass sich unter den Ehemaligen auch Hundertjährige befinden.

Legendärer Lehrer

Neben anderen Rednern begab sich am späteren Nachmittag auch der ehemalige Primarlehrer und Regierungsrat Ueli Schmidli ans Rednerpult. Schmidli hatte gleich nach seiner Ausbildung am Lehrerseminar von 1953 bis 1980 im Schulhaus Blidegg rund 150 Mädchen und Buben von der 1. bis zur 9. Klasse unterrichtet und war zur Legende geworden.

Der ehemalige Dorflehrer verursachte mit seinen Reminiszenzen beim Publikum im Festzelt, das bis auf den letzten Platz gefüllt war, mehrmals schallendes Gelächter und spontanen Applaus. Da erstaunte es auch nicht, dass Schmidli nach seiner Ansprache mit tosendem Applaus und einer Standing Ovation schon fast wie ein Rockstar gefeiert wurde.


Beat

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